Für die internationale (Rück-)Versicherungswirtschaft war das Umfeld 2018 erneut herausfordernd.
In den USA trat zum 1. Januar 2018 die von der Regierung zum Ende des Jahres 2017 erlassene US-Steuerreform in Kraft. Diese führte zu steuerlichen Neuregelungen, wie die allgemeine Senkung der Unternehmenssteuer von 35 % auf 21 %, die Einführung einer 30 %igen Zinsabzugsbeschränkung sowie die Abschaffung der Alternative Minimum Tax. Gleichfalls wurden spezielle Neuregelungen eingeführt, die für die Versicherungswirtschaft in den USA gelten und erhebliche Auswirkungen mit sich bringen. Zudem enthielt das Gesetzespaket die Einführung der sogenannten Base Erosion and Anti-Abuse Tax (BEAT) und hiermit steuerlich nachteilige Regelungen für konzerninterne Retrozessionen mit aus US-Sicht ausländischen Einheiten. Dabei fließen in die steuerliche Bemessungsgrundlage auch Prämien für zedierte Versicherungsrisiken innerhalb eines Konzernverbundes ein. So waren Prämien mit einem Satz von zunächst 5 % im Jahr 2018 besteuert. Diese werden von 2019 bis 2026 dann mit 10 % und danach mit 12,5 % besteuert. Als Resultat der Steuerreform waren Veränderungen der Zessionstrategien und Konzernstrukturen der Marktteilnehmer zu verzeichnen.
Weiterhin für Unsicherheit in der Versicherungsbranche sorgten die weiterhin zähen Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien infolge des Brexit-Votums der britischen Bevölkerung. So konnte bis Jahresende keine Einigung erzielt werden und das Risiko eines harten Brexits zum 31. März 2019 beschäftigte die Märkte. Die Ungewissheit über die Gestaltung zukünftiger Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien sowie über die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist allerdings auch allgemein ungünstig für die Volkswirtschaften der verbleibenden EU-Staaten, da sie die Planungssicherheit und Investitionsbereitschaft der Unternehmen beeinträchtigt.
Bereits kurz nach der Reformierung des europäischen Versicherungsaufsichtsrechts durch die Solvency II-Richtlinie im Jahr 2016 stieß die Europäische Kommission im Berichtsjahr die erste Überprüfung der Standardformel für die Berechnung der aufsichtsrechtlichen Solvenzkapitalanforderung an. Als wesentliche Themen umfasste dies unter anderem Vereinfachungen der Standardformel sowie die Berechnung des Zinsänderungsrisikos, des Prämien- und Reserverisikos in der Nicht-Lebensversicherung, der latenten Steuern und der Risikomarge. Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) hatte der EU-Kommission dazu im Berichtsjahr technische Empfehlungen für die delegierte Verordnung vorgelegt. Grundlage dafür waren die Erfahrungen der nationalen Aufsichtsbehörden sowie der Versicherungsunternehmen in der Vorbereitungsphase und den ersten Jahren der Anwendung von Solvency II. Der Solvency II-Review durch die EU-Kommission lief bis 31. Dezember 2018. Die Gesamtüberprüfung der Solvency II-Richtlinie durch die EU-Kommission ist erst für das Jahr 2020 geplant.
Von unveränderter Bedeutung war auch im Berichtsjahr die geplante Einführung des neuen internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS 17 durch das International Accounting Standards Board (IASB). IFRS 17 wird den seit 2005 geltenden Interimsstandard IFRS 4 ablösen und soll eine Vergleichbarkeit der Versicherer durch eine weltweit einheitliche Grundlage zur Bilanzierung von Versicherungsverträgen ermöglichen. Das neue Bewertungsmodell wird voraussichtlich für die Bilanzierung insbesondere von lang laufenden Verträgen deutliche Änderungen mit sich bringen. Nicht abzusehen ist noch, welche Auswirkungen die Einführung von IFRS 17 letztlich auf die Volatilität von Geschäftsergebnissen haben wird. Bei einer Sitzung im November 2018 hat das IASB vorläufig entschieden, den Zeitpunkt des Inkrafttretens von IFRS 17 um ein Jahr zu verschieben. Die neuen Bilanzierungsvorgaben gelten somit voraussichtlich ab 1. Januar 2022, verpflichtend sind sie allerdings nur für die Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Versicherer. In dem Zuge hat das IASB auch beschlossen, die vorübergehende Befreiung der Versicherer von der Anwendung des Financial Instruments Standard IFRS 9 um ein Jahr auf 2022 zu verschieben, sodass alle Versicherer IFRS 9 und IFRS 17 erst gleichzeitig anwenden müssen.
In Deutschland hat die Regierung im Oktober die Formel zur Ermittlung des Referenzzinses für die Zinszusatzreserve (ZZR) verändert und damit im Interesse von Versicherten und Versicherern reformiert. Die ZZR war 2011 als Sicherheit für hochverzinste Altverträge eingeführt worden, um zu gewährleisten, dass die Lebensversicherer ihre dem Kunden zugesagten Zinsgarantien auch bei dauerhaft niedrigen Zinsbedingungen noch erwirtschaften können. Die Berechnung galt mittlerweile als zu streng, da sie zu einer starken Belastung der Lebensversicherer führte. Die Sicherungsfunktion der ZZR bleibt auch nach Änderung der Berechnungsmethodik erhalten; allerdings verhindert nunmehr ein Zinskorridor übermäßige Ausschläge der ZZR – und zwar in beide Richtungen. Damit werden die Aufwände aus dem Aufbau und Erträge aus dem Abbau besser auf die laufenden Kapitalerträge und die Garantiezinsanforderungen abgestimmt. Die Änderung bringt der Assekuranz nach Berechnungen der Ratingagentur S&P eine deutliche finanzielle Erleichterung.
In Großbritannien wirkte sich im Berichtsjahr weiterhin die Entscheidung der britischen Regierung im Jahr 2017 auf die Versicherungswirtschaft aus, den Abzinsungssatz für Abfindungszahlungen aus Personenschäden (Ogden Rate) von 2,5 % auf -0,75 % abzusenken. Hierdurch können beispielsweise schwere Personenschäden infolge eines Autounfalles zu höheren Zahlungen aus Haftpflichtdeckungen führen. Für Erst- und Rückversicherer hatte sich hieraus ein substanzieller Nachreservierungsbedarf ergeben, da sich die Änderung nicht nur auf zukünftige Schäden bezieht, sondern auch auf nicht abgewickelte Schäden der Vergangenheit. In dem Zuge wurden für die Sparte Kraftfahrt-Haftpflicht auch im Berichtsjahr nochmals Ratenerhöhungen im deutlich zweistelligen Prozentbereich erzielt, wenngleich diese unterhalb der Erwartungen lagen. Mit der Verabschiedung des Civil Liability Act 2018 am 20. Dezember 2018 wurde der Grundstein für die neuerliche Anpassung der Ogden-Raten gelegt. Die Anpassung wird im Laufe des Jahres vollzogen, sodass eine Korrektur der Reserven bei den jeweiligen Erst- und Rückversicherern im Jahr 2019 stattfinden kann.
In Indien verabschiedete die indische Versicherungsaufsicht IRDAI (Insurance Regulatory and Development Authority of India) im Dezember 2018 eine neue Rückversicherungsvorschrift, die bereits am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist. Die Vorschrift enthält eine Reformierung der sogenannten Präferenzordnung für Schaden-Rückversicherung. Demnach können ausländische Rückversicherer, die mit einer Niederlassung in Indien vertreten sind, nun mit anderen indischen Rückversicherern gleichberechtigt Rückversicherungsgeschäft zeichnen, wenn dieses Geschäft vorab mit keinem vorrangig zu behandelnden lokalen Rückversicherer platziert wurde. Die Präferenzordnung gilt nicht für Retrozessionen.
In der weltweiten Schaden-Rückversicherung war das Marktumfeld nach wie vor herausfordernd. Die immensen Naturkatastrophenschäden des Vorjahres führten zwar in den betroffenen Regionen und Programmen zu Steigerungen der Rückversicherungsraten, jedoch in geringerem Umfang als erwartet. Für schadenfreie Programme haben sich die Raten im Berichtsjahr tendenziell stabilisiert. Diese Entwicklung lässt sich mit einem unverändert intensiven Wettbewerb begründen, der sich entsprechend auf die Preissituation auswirkte. Gleichzeitig war die Kapitalausstattung der meisten Erstversicherer weiterhin gut, was sich in einem entsprechend hohen Selbstbehalt widerspiegelte und die Nachfrage nach Rückversicherung belastete. Zudem stellte der Markt für Katastrophenanleihen (ILS-Bereich) auch 2018 unverändert hohe Kapazitäten zur Verfügung, sodass das Angebot über der Nachfrage lag und dadurch unverändert Druck auf Konditionen und Preise bestand. Allerdings war im Jahresverlauf eine Abkühlung der Stimmung in der Branche wahrnehmbar. Wie auch 2017, so war das Jahr 2018 von einem moderaten Großschadenverlauf im ersten Halbjahr und einem erhöhten Großschadenverlauf im zweiten Halbjahr geprägt. Waren es 2017 noch die Hurrikane „Harvey“, „Irma“ und „Maria“, so prägten Taifune in Japan und Wirbelstürme sowie die Waldbrände in Kalifornien das Bild im zweiten Halbjahr.
Das anhaltende Niedrigzinsumfeld in Deutschland wirkte sich ebenfalls auf den Bereich der Personen-Rückversicherung im Hinblick auf die traditionellen Lebensversicherungsprodukte aus: Sie haben inzwischen nicht nur merklich an Attraktivität verloren, sondern wurden teils durch neue, an die veränderte Zinslage angepasste Policen ersetzt. Nach der Einführung von Solvency II und den daraus resultierenden erhöhten Kapitalanforderungen insbesondere für das Langlebigkeitsgeschäft war die Nachfrage nach solvenzorientierten Rückversicherungslösungen weiterhin stark. Weltweit führt der fortschreitende demografische Wandel und die zunehmende Alterung der Bevölkerung zu einer weiter steigenden Nachfrage nach Altersvorsorgeprodukten – auch für die Rückversicherungsbranche. Ferner werden auch sogenannte Lifestyle-Produkte zunehmend nachgefragt. Hierbei handelt es sich vornehmlich um maßgeschneiderte Lebensversicherungsprodukte unter Berücksichtigung des individuellen Lebensstils des Versicherungsnehmers. Dies sind insbesondere Policen, deren Prämie an das Gesundheitsverhalten des Versicherten (z. B. Fitness, Ernährung) geknüpft ist. Während solche Produkte bisher eher in angelsächsischen und asiatischen Ländern Absatz fanden, lässt sich ein spürbares Interesse an diesem Trend auch in Europa erkennen. Es zeigt sich ein zunehmendes Interesse am Thema „Digitalisierung“. Immer mehr werden Prozessoptimierungen und – u. a. damit verbunden – der Einsatz automatisierter Underwriting-Systeme nachgefragt. Hierbei ist Innovationskraft gefragt, um dem Wettbewerb nicht nur standzuhalten, sondern einen Schritt voraus zu sein.
Die Digitalisierung war auch 2018 ein unverändert an Bedeutung gewinnendes Thema für die Versicherungsbranche. So standen die Entwicklung neuer Produkte, eine innovativere Kundenbetreuung sowie die Optimierung von internen Kostenstrukturen und Geschäftsprozessen im Fokus. Beteiligungen an sowie Kooperationen mit Start-ups und Insur-Techs nahmen weiterhin deutlich zu. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend auch in den nächsten Jahren weiter fortsetzt.
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung wuchs der Versicherungsmarkt für Cyberrisiken im Jahr 2018 weiter rapide. In den vergangenen Jahren hat sich das Prämienvolumen deutlich erhöht; gleichfalls stiegen aber auch die Schadenzahlen. Auch in Deutschland wuchsen die Prämienvolumina weiter, sind aber – im Vergleich zu anderen europäischen Ländern – noch auf einem geringen Niveau. Nach wie vor wurde der überwiegende Teil der weltweiten Versicherungsprämie in den USA erwirtschaftet, aber auch in Europa wuchs das Interesse an entsprechenden Deckungen weiter.